[Rezension] Andrej Kurkow - Picknick auf dem Eis

Inhalt:
Wirklich erfolgreich ist Viktor nicht: Er möchte zwar schreiben, schafft es aber nie, ein Buch zu beenden. Doch dann nimmt sich eine Zeitung seiner an und nutzt Viktors Talent. Von nun an darf er Nekrologe über Berühmtheiten schreiben. Die sind zwar noch nicht tot, aber Viktor hinterfragt das alles nicht. Er lebt ein gemütliches Leben mit seinem Pinguin Mischa. Aber mehr und mehr verändert sich Viktors Leben durch seine Schreiberei...

Meine Meinung:
"Picknick auf dem Eis" von Andrej Kurkow war ein Weihnachtsgeschenk und ich bin froh, dass ich das Buch noch während der Wintermonate gelesen habe. Denn da passt es perfekt hin. Nicht nur vom Setting her, sondern auch bezüglich der Stimmung im Buch.

Es ist eine ruhige Geschichte, die Kurkow erzählt. Wer einen Krimi erwartet oder grosse Dramatik, der sollte zu einem anderen Buch greifen. Vor allem zu Beginn ist Viktor ein sehr passiver Held. Er lebt im Kiew der 90er, einer korrupten Stadt, die zerfällt. Genauso zeigen sich auch die Bewohner. Sie nehmen die Stadt so, wie sie ist. Unsereiner mag sich fragen, wieso man nicht reagiert, wenn es zu Gewalt kommt, aber in dieser Stadt zu dieser Zeit war das Alltag. Nichts, worüber man sich Gedanken macht.

Deshalb dauert es auch sehr lange, bis Viktor beginnt, alles zu hinterfragen. Für mich war es spannend, die langsame Charakterentwicklung zu beobachten. Mitzubekommen, wie Viktor mehr und mehr erwacht. Wie er eine Beziehung zum Mädchen Sonja aufbaut, auf das er aufpassen muss. Wie er sich mehr und mehr für Pinguine zu interessieren beginnt und Freunde findet.

Es ist eine kalte Geschichte in einer kalten Stadt, aber Viktor ist ein Mensch mit einer grossen Wärme im Herzen, die er aber nicht so recht zu zeigen vermag. Mir ging mehr und mehr das Herz auf, während auch ich mich fragte, was da im Hintergrund eigentlich vor sich geht.

So ganz klärt sich das auch nie, aber als Teil der Geschichte ist das auch nicht so wichtig.

Es ist ein besonderes Buch. Eines von jenen, die nicht jedermanns Lesegeschmack treffen. Manche werden mit falschen Erwartungen an die Geschichte herangehen, manche werden mit Viktors Art nicht klar kommen. Ich finde das alles verständlich. Weswegen ich froh bin, dass ich keine Ahnung hatte, worauf ich mich einliess, als ich mit dem Lesen begann.

Stellte sich heraus, dass das Buch genau zu meinem Lesegeschmack passt. Es ist speziell, anders, aussergewöhnlich. Leicht melancholisch, gemixt mit einem guten Schuss Wodka.

Fazit:
Eine interessante Geschichte, die ich nicht vorhersehen konnte. Wie ein Bach fliesst die Geschichte dahin, bis sie einen packt und umherwirbelt. Kurkow kann wunderbar Stimmung erschaffen. Sie ergreift einen und lässt einen teilhaben am Kiew von 1995.

Plus: Ein Pinguin spielt mit!

Andrej Kurkow
Picknick auf dem Eis
TB, 1999
Diogenes

978-3-257-23255-4

Aus dem Russischen von Christa Vogel
Originalausgabe: Smert' postoronnego
Alterpress, Kiew 1996

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