[Rezension] Tschingis Aitmatow - Der Erste Lehrer

Inhalt:

1924 in einem kleinen Ail: Als der erste Lehrer auftaucht, wird er noch belächelt und seine Idee von einer "Schule" nicht ernst genommen. Doch Altynai ist sofort fasziniert. Vom Lehrer und von der Idee einer Schule. Auch Lehrer Düischen erkennt das Potential in seiner Schülerin und schliesst sie in sein Herz. Was aber hält die Zukunft für Altynai bereit?

Meine Meinung:

Die Bücher von Tschingis Aitmatow sind nie sonderlich dick. Sie kommen dünn und ausgehundert daher, wenn man sie mit anderen Büchern vergleicht. Dann schlägt man so ein Büchlein auf und sofort beweist einem Aitmatow, dass man ein Buch nie nach seinem Äusseren beurteilen sollte. Oder nach der Seitenzahl. Denn der Autor ist dazu in der Lage, mit nur wenigen Sätzen so viel Atmosphäre und Eindruck zu schaffen, wie andere Schriftsteller es auf 400 Seiten nicht hinbekommen.

Auf knapp 100 Seiten erzählt Aitmatow eine aufwühlende und bewegende Geschichte aus einer Zeit, in der Bildung sich noch darauf beschränkte, das zu lernen, was man für die Arbeit brauchte. Lesen? Schreiben? Alles unnötig. Aber Lehrer Düischen setzt sich über die Vorurteile hinweg und baut aus eigener Kraft die Schule auf. Dass diese vom Kommunismus geprägt ist, ist klar. Düischen ist ein Anhänger Leninis und wenn die Kinder in winterlicher Kälte schreiben lernen, schaut das Bild Lenins dabei zu.

Dabei handelt es sich um die Binnengeschichte. Die Rahmenhandlung spielt erst viel später und Altynai erzählt ihre Geschichte in Form eines Briefes. Dadurch werden Altynais Erlebnisse noch viel eindrücklicher, man erfährt ihren Schmerz und ihre Hingebung unverblümt und offen. Dabei wird ohne viel Drama von dramatischen Erfahrungen berichtet, dennoch schimmert durch den ganzen Text die Hoffnung. Die Hoffnung auf die grosse Stadt, Hoffnung auf Liebe, Hoffnung auf Erlösung.

Aitmatow zeichnet mit klaren, deutlichen Worten Bilder, die bleiben. Dieses Buch ist eine Hommage an das Lernen und die Bildung. Etwas, das heutzutage oft als Selbstverständlichkeit und Qual angesehen wird. Altynai und bestimmt auch ihre Mitschüler waren froh und glücklich darüber, zur Schule gehen zu dürfen. Dank des eher behilfsmässigen Unterrichts Düischens konnten sie ihr Leben selbst in die Hand nehmen und ihr Dorf zum Blühen bringen.

Ich muss zugeben, dass mir "Der erste Lehrer" sehr viel besser gefallen hat als "Dshamilja". Wahrscheinlich, weil hier die Liebesgeschichte eher im Hintergrund und sehr dezent abläuft. Und trotzdem ist die Zuneigung, die Altynai und Düischen füreinander empfinden, präsent und glaubhaft. Vor allem Düischens Opfer zeigt, dass er an das glaubt, was er tut und nur das Beste für seine Schüler möchte. Ein wahrhaft guter Lehrer.

Fazit:

Eine sehr eindrückliche Geschichte, die Spuren hinterlässt. Ein Buch, das uns aufzeigt, welche Kraft in grundlegenden Fähigkeiten wie lesen und schreiben liegen. Es ist ein Buch über Veränderungen, Ideen und die Kraft der eigenen Taten. "Der erste Lehrer" ist ein Buch, das nicht nur Lehrer lesen sollten. Es ist eine Geschichte für uns alle.


Tschingis Aitmatow
Der Erste Lehrer
HC, 1990
Kunstmann

3-88897-291-4

Aus dem Russischen von Leoni Labas
Originalausgabe: 1989

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