[Rezension] George Orwell - Die Farm der Tiere

Rückentext:
"Seit Gullivers Reisen ist keine Parabel geschrieben worden, die es an Tiefe und beissendem Spott mit der Farm der Tiere aufnehmen kann." - Arthur Koestler

Meine Meinung: 
Kurz vor seinem Tod ruft das Schwein Major alle Tiere der Farm, die Mister Jones gehört, zusammen, um ihnen eine wichtige Mitteilung zu machen: Es ist Zeit für eine Revolution! Die Tiere sollen nicht länger unter dem Menschen zu leiden haben. Sie sollen endlich wieder nur für sich selber arbeiten und nicht für die gefrässigen und egoistischen Menschen.

Nach Majors Tod wird dieser Plan auch in die Tat umgesetzt. Angeführt von den Ebern Schneeball und Napoleon wird Jones von der Farm gejagt und die Revolution für erfolgreich erklärt. Endlich sind die Tiere selbstständig! Es werden sieben Gebote aufgestellt und ehrenvoll das Lied "Tiere von England" gesungen.
Allen voran tun sich die Schweine heraus, die sogar lesen und schreiben gelernt haben.

Grosse Freude herrscht nun auf der Farm, denn endlich dürfen die Tiere wieder Tiere sein und sind selbstständig für die Farm zuständig. Obwohl die verfeindeten Nachbarfarmen und überhaupt alle Menschen in England der Farm keine Chance geben, scheint die Farm unter Leitung der Schweine zu gedeihen und die Tiere sind sehr glücklich mit ihrem neuen Leben.

Doch schon bald beginnen die Schweine ihre Vormachtsposition auszunutzen. Es beginnt harmlos, indem die Schweine die Milch der Kühe für sich selber beanspruchen. Doch ihr Machtanspruch wächst und wächst. Die beiden Eber Schneeball und Napoleon zerstreiten sich und Schneeball wird von der Farm gejagt. Von nun an hat Napoleon das sagen.

Und was Napoleon will ist, im Gegensatz zu seinem Leitspruch, dass er alles was er tut in den Dienst der Tiere stellt, rein eigennützig. Bald schon schlafen die Schweine im Bett von Jones, während die anderen Farmtiere weiterhin hart und mühselig an der Errichtung eines Turmes für den Windmotor arbeiten. Doch schliesslich ist dieses Leben immer noch besser, als das Leben, das sie unter Jones zu führen hatten. Leider erinnert sich bald keines der Tiere mehr, wie es früher war. Und so können die Schweine weiterhin ihre Macht spielen lassen, werden dadurch jedoch menschlicher als jeder Mensch...

George Orwell's "Farm der Tiere" ist längst ein moderner Klassiker geworden, in Schulen wird er im Deutsch- und Englischunterricht vorgesetzt und das Buch erscheint immer wieder in neuen Auflagen. Doch haben wir auch begriffen, was uns Orwell durch dieses Buch sagen wollte?

Während die Farmtiere weiter ihr strenges Leben leben, lassen es sich die Schweine auf Kosten der Anderen gut gehen. Dies ist leider ein sehr bekanntes Bild aus unserer heutigen Gesellschaft. Das Verhalten der Schweine zeigt sehr eindrücklich, wie man jede neue Idee für seine eigenen Zwecke missbrauchen kann. Und dass die Opfer selten überhaupt realisieren, dass sie zu Opfern ihrer eigenen Revolution geworden sind.

Im Verlauf der Geschichte eigenen sich die Schweine immer mehr Eigenschaften des Menschen an, bis sie nicht mehr von jenen zu unterscheiden sind. Doch dies war nicht Majors Gedanke, als er damals, vor vielen vielen Jahren, die Tiere zur Revolution aufrief...

Der Erzähler der Geschichte übernimmt eine sehr distanzierte Sicht. Er erzählt nur. Von den Grausamkeiten, die auf der Farm geschehen, und auch vom normalen Alltag der Tiere nimmt er Abstand. Doch dadurch erscheint dem Leser alles nur noch grausamer.
 
Das Buch empört den Leser auch. Wir sind empört darüber was da geschieht, empört über die Schweine, empört darüber, dass sich die naiven Tieren mit zweitklassigen Erklärungen abspeisen lassen und empört darüber zu wissen, dass es im realen Leben genau so zugeht.
 
Wir sind selten anders als diese Tiere. Vielleicht sind wir eines der hart arbeitenden Pferde, vielleicht die Katze, die es meisterhaft versteht, sich zu drücken, oder wir sind eines der fetten Schweine, die es sich so richtig gut gehen lassen können...

Über dieses Buch muss man diskutieren. Man muss sich richtig damit auseinandersetzen, denn einfach nur lesen kann man es nicht. Es geht einem zu nahe. Zumindest erging es mir so. Und ich hoffe sehr, dass das Buch weiterhin gelesen wird. Gerade weil es einen sehr bitteren Nachgeschmack hat.



George Orwell
Farm der Tiere
Eine Fabel
TB, erste Auflage 1972
Diogenes

978-3-257-20118-5

Aus dem Englischen von N. O. Scalp
Originalausgabe: Animal Farm
The Estate, 1945

Kommentare

  1. Aus diesem Buch hat man einen tollen Zeichentrickfilm gemacht, den ich auch noch nicht gesehen habe.

    LG
    Stephan

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    1. Das wusste ich ja noch gar nicht! Muss ich mir auch dringend mal anschauen - Danke für den Hinweis :)

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    2. Gern geschehen. :-)

      Der Original-Titel lautet: "Animal Farm"
      Der deutsche Titel lautet: "Aufstand der Tiere"

      Erscheinungsjahr: 1954

      https://de.wikipedia.org/wiki/Aufstand_der_Tiere

      LG
      Stephan

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    3. Der Film klingt auf jeden Fall vielversprechend! Vielleicht finde ich ihn in unserer Bibliothek, das wäre toll!

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  2. Mich hat das Buch auch sehr mitgenommen, genau aus dem Grund heraus, dass man so viele Parallelen zur heutigen Gesellschaft ziehen kann. Das hat mich traurig und auch wütend gemacht. Man möchte die Menschen nehmen und schütteln, sie fragen, ob sie nicht endlich die Augen öffnen können.
    Im gleichen Atemzug ist man allerdings gezwungen sich wieder dem alltäglichen Trott unterzuordnen.
    Mir wurde meine eigene Machtlosigkeit nur allzu gut bewusst.

    Nachdem ich das Buch gelesen hatte, sichtete ich direkt den Zeichentrickfilm, der mir (obwohl ich schon wusste, was auf mich zukommt) teilweise zu Tränen rührte...

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    1. Du drückst das wirklich sehr gut aus! Mir ging es wirklich genauso. Schlussendlich landet man wieder im Alltag und alles was bleibt ist ein trauriges Seufzen...

      Den Zeichentrickfilm muss ich mir irgendwann auch noch anschauen. Habe ich mir fest vorgenommen!

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