[Rezension] Jakob Arjouni - Cherryman jagt Mister White

Rückentext:
Achtzehn Jahre, Ostdeutscher, arbeitslos, Nazimitläufer – der Stoff, aus dem ein deutscher Held ist? Wie viel Gewalt erlaubt die Notwehr? Und wie schmutzig darf man sich die Hände machen beim Griff nach dem Glück? 

Meine Meinung:
Die Bücher von Jakob Arjouni sind gewollt unangenehm. Das genau mag ich an ihm, dennoch musste ich leer schlucken, als bereits auf den ersten Seiten von „Cherryman jagt Mister White“ eine Katze getötet wird. Ich bin wohl etwas aus der Arjouni-Übung.

Danach war ich wieder mittendrin und wieder einmal zeigte mir Arjouni, weshalb ich seine Bücher mag. Denn auch in diesem kurzen Weg stellt der Autor unsere Ansicht von Gut und Böse auf den Kopf. In diesen Bücher gelangen wir nicht eine mystische Fantasy-Welt, sondern landen knallhart auf dem Beton der Realität.

Hätten wir von Ricks Fall aus den Medien gehört, wäre für uns die Sache einfach: Nazi will jüdischen Kindergarten in die Luft jagen. Dafür war die Sache ganz anders. Rick schildert in seinen Berichten an Dr. Layton, wie es tatsächlich dazu kam, dass der Junge die Kinder sogar gerettet hat.

Man kann darüber diskutieren, ob Rick die Stelle gar nicht hätte annehmen sollen. Aber nach der Szene mit der Katze wissen wir, dass diese Leute nicht scherzen, wenn sie Rick damit drohen, die über 80-jährige Tante zu bedrohen. Ausserdem weiss ich aus eigener Erfahrung, wie verzweifelt man ist, wenn man jahrelang auf der Suche nach einer Stelle ist.

Rick zeigt uns den Menschen in uns allen. Ja, Rick mag Superhelden, das tun wir doch alle. Doch die meisten von uns sind eben nur das, was wir sind: Menschen. Keine Superhelden mit Superkräften.

Schlussendlich zeigt Rick aber auch, was passieren kann, wenn man jemanden so sehr in die Ecke drängt, dass Angriff plötzlich die beste Verteidigung ist. Nein, Rick ist kein Held, er ist der nette Junge von nebenan, der in der falschen Nachbarschaft gelandet ist, immer das Opfer, bis irgendwann Schluss ist.

Aus dem Text geht mehr und mehr hervor, wie jung der Protagonist eigentlich ist. Ja, ich mag Rick und mag ihn immer noch, auch nach seiner letzten Tat. Arjouni steigt über das Schwarz-Weiss-Denken hinweg und setzt sich mit den Umständen auseinander, die einen netten Menschen zum Mörder werden lassen.

Ein Mord als einfache Tat ist verabscheuungswürdig. Doch was, wenn er damit anderen das Leben gerettet hat? Plötzlich ist unsere Ansicht auf das Leben gar nicht mehr so einfach, wie wir es oft gerne hätten.

 

Jakob Arjouni
Cherryman jagt Mister White
TB, 2011
Diogenes

978-3-257-24167-9

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