[Rezension] Susan Cain - Still

Rückentext:
In der Stille liegt die Kraft. In einer lauten Welt werden stille Menschen meist überhört - sei es am Arbeitsplatz, in der Schule oder im Privatleben. Susan Cain bricht eine Lanze für die Introvertierten und zeigt, wie wichtig sie für unsere Gesellschaft sind. Neueste Ergebnisse der Hirnforschung bezieht sie dabei ebenso ein wie historische Beispiele. Darwin, Einstein, Gandhi, Chopin, van Gogh, Bill Gates: Sie alle haben Großes vollbracht. Aus ihren Erkenntnissen leitet die Autorin auch konkrete Anregungen für alle sozialen Bereiche ab, von der Organisation des Berufslebens bis hin zur Konfliktlösung in der Partnerschaft. Susan Cain will stille Menschen dazu ermutigen, die eigene Introversion zu erkennen und anzunehmen, denn sie weiß: In der Stille liegt die Kraft!

Meine Meinung:
Ich gehöre zu den Kindern, denen man früher bei jedem Lehrergespräch gesagt hat, sie sollen sich mehr melden, aktiver werden, sich mehr einbringen. Damals versuchte ich es immer wieder, gab dann aber irgendwann wieder auf. Selbst wenn ich die Antwort wusste, wollte ich mich nicht melden. Ich wollte auch nie an Gruppenarbeiten teilnehmen, sondern bevorzugte Zweierarbeit mit meiner besten Freundin. Der ging es übrigens genau gleich.

Unterdessen weiss ich, dass wir nicht "merkwürdig" oder "falsch" waren, sondern einfach nur introvertiert. Auch weiss ich inzwischen, dass wir damit nicht alleine sind, sondern dass ca. 40-50% der Bevölkerung zu einem gewissen Grad introvertiert ist.

Blöd nur, dass wir alle in einer sehr extrovertierten Welt leben und Introversion als Makel gilt. Deshalb auch der stets gut gemeinte Rat der Erziehungsberechtigten, man solle sich mehr einbringen. Unser gesamtes Umfeld ist auf Extroversion getrimmt: Grossraumbüros, Partys, sogar die Schule zieht mit, und auch viele besorgte Eltern, die nicht wissen, was in ihrem Kind vor sich geht.

Aber was ist Introversion überhaupt? Was macht einen introvertierten Menschen aus und was bringt es, introvertiert zu sein? Ist es nicht viel besser, sich zu ändern und extrovertiert zu werden?

"Nein", sagt Susan Cain, selbst eine Introvertierte, und legt uns ihr Buch "Still" vor. Darin erklärt sie uns, wie Introvertierte funktionieren, woher die Introversion kommt und welche Leistungen von Introvertierten erbracht wurden (Einstein - schon mal gehört? Introvertiert. Bill Gates. Introvertiert. Warren Buffett. Introvertiert etc. etc.).

Auch spannend ist, wie unsere Gesellschaft so extrovertiert wurde, wie sie heute ist. Das Buch widmet sich in erster Linie an Amerikaner, denn Amerika ist das extrovertierteste Land überhaupt. Dort introvertiert zu sein, kann sehr schnell sehr schwer werden.

Anhand von vielen Beispielen unterschiedlicher Menschen und ihrer Erlebnisse macht Cain sich auf die Suche nach Lösungen, wie Introvertierte auch in einer so lauten Gesellschaft überleben können. Dabei findet die Autorin Erstaunliches heraus. Aus diesen Erfahrungen gibt sie dem introvertierten Leser viele hilfreiche Tipps an die Hand und gibt ihm endlich das Gefühl, dass es nichts Schlimmes ist, introvertiert zu sein, sondern eine Stärke, die man gezielt einsetzen kann.

Doch "Still" richtet sich nicht nur an Introvertierte, sondern ist auch ein wichtiges Buch für Extrovertierte, die viel mit introvertierten Menschen zu tun haben. Ehepartner, Eltern, Lehrer, Chefs... Verliert jedoch nicht aus den Augen, dass es beide Positionen braucht. Beide Persönlichkeiten können und müssen voneinander profitieren und auch hier zeigt die Autorin, weshalb das so ist und wie es funktionieren kann.

Das Buch ist ausserdem mit kurzen Tests und Checklisten ausgestattet, so kann man z.B. kurz testen, in welche Richtung man tendiert: introvertiert oder extrovertiert. Ich habe bei Introversion die "volle Punktzahl" erhalten...

"Still" ist ein wichtiges Buch und auch wenn ich denke, dass mit der aktuellen Nerdkultur die Introversion nicht mehr derart stigmatisiert wird wie noch vor einigen Jahren, ist es eine aufschlussreiche Lektüre für Introvertierte, Extrovertierte und alle im Bereich dazwischen. Es ist wichtig, dass es solche Bücher gibt, um jenen zu helfen, die das Gefühl haben, nicht "so funktionieren, wie sie funktionieren sollten", und um aufzuklären, dass es vielleicht kontraproduktiv sein könnte, ein stilles Kind gegen seinen Willen in ein Feriencamp zu schicken.

Noch einmal zum Schluss: es ist keine Schwäche, introvertiert zu sein! Es ist kein Makel, den wir uns abtrainieren müssen! Es ist eine Stärke und ein Teil unserer einzigartigen Persönlichkeit!


Susan Cain - Still
Die Kraft der Introvertierten
TB, 1. Auflage 2013
Goldmann

978-3-442-15764-8

Aus dem Amerikanischen von Franchita Mirella Cattani und Margarethe Randow-Tesch
Originalausgabe: Quiet. The Power of Introverts in a World that can't stop talking
The Crown Publishing, New York 2001

Kommentare

  1. Schöne Rezension und ein interessantes Thema! Ich bin auch eher introvertiert und habe damit öfter mal Probleme, weil wir ja ständig auf andere zugehen sollen ... :P Aber ich habe auch extravertierte Seiten! XD

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    1. Danke dir :)
      Wir alle haben unterschiedliche Werte auf der Introversion-Extraversion-Skala, sogar ich habe ein paar extravertierte Seiten an mir^^ Es ist spannend, auch sowas an sich zu entdecken :)

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